Was gibt es Neues?

„Grand Tour“ in Corona-Zeiten

Der Spielbetrieb ruht in Deutschland, einzig die Europapokalwettbewerbe bescheren vor den Feiertagen zumindest vier der 16 Erstligisten eine Abwechslung. Der Meisterschaftssechste SV Ludwigsburg debütiert mit seinem Start im Euro Cup (entspricht der Europa League im Fußball) dieser Tage sogar auf der internationalen Bühne und nutzt diese Gelegenheit für eine regelrechte „Grand Tour“: Bereits am morgigen Sonntag brechen die Barockstädter in Richtung Südfrankreich auf, ehe dann am kommenden Freitag das Qualifikationsturnier in Aix-en-Provence startet.

Trotz Corona spielen oder nicht spielen beim Euro-Cup? Diese Fragen war für den Ludwigsburger Teammanager Adrian Jakovcev und Vizepräsident  Matthias Nagel schnell geklärt. Ludwigsburg tritt an – trotz der Pandemie. Auch, um ein Zeichen zu setzen: Seht her, der Wasserball lebt! Bei dem Vierturnier in Südfrankreich spielt der SVL gegen Vouliagmeni NC aus Griechenland, Carouge Natation aus der Schweiz und Gastgeber Pays d’Aix Natation. Das große Ziel sei Platz zwei, sagt der Manager. Denn die ersten beiden Teams qualifizieren sich für das Achtelfinale, das erst im kommenden Jahr stattfinden wird. Die Griechen seien dabei nach SVL-Ansicht kaum zu schlagen, es handele sich um eine Profimannschaft auf dem Niveau der beiden deutschen Topteams aus Hannover und Berlin. Die Schweizer hingegen sollten zu schlagen sein. Im Spiel gegen Aix also dürfte es um die Entscheidung gehen. Der Spielplan, sagt Jakovcev, „ist gut für uns“ – denn das möglicherweise entscheidende Spiel gegen die Franzosen ist das letzte der drei Spiele.

In der Woche vor dem auch unter normalen Bedingungen sportlich interessanten Turnier bereitet sich der SVL ebenfalls in Südfrankreich mit einem Trainingslager in Montpellier vor. Geplant sind neben Trainingseinheiten auch mehrere Testspiele gegen den zweimaligen nationalen Meister Montpellier WP, einer Mannschaft, die laut Teammanager etwa auf dem Niveau von Aix spielen sollte. Diese Vorbereitung während der Tage bis zum ersten Spiel gegen die Griechen sei bitter nötig: In Deutschland pausiert die Bundesliga mindestens bis zum März; seit Anfang September ist die SVL-Sieben nicht mehr im Einsatz gewesen. In Montpellier kann anders als in Ludwigsburg zudem auch in einer 50-Meter-Schwimmhalle gespielt werden. 

Für die „Grand Tour“ ist nun alles geregelt. Die Spieler werden mindestens viermal auf das Virus getestet: vor der Abreise sowie vor den gemeinsamen Trainingsmaßnahmen in Montpellier und nach Vorgabe der LEN unmittelbar vor der Veranstaltung und während des Turnier. In Montpellier und in Aix dürfen die Spieler das Hotel nur verlassen, um ins Bad zu gelangen: Frankreich befindet sich im Lockdown. Nach dem Training beziehungsweise nach den Spielen geht es gemäß Hygieneprotokoll dann sofort wieder direkt zurück ins Hotel. Nach Aix fährt die Mannschaft mit zwei Kleinbussen und einem PKW: Die Anreise dauert etwa zehn Stunden, aber es gebe derzeit keine Direktflüge, sagt der Manager. Man habe alles getan, um eine Infektion der Spieler zu verhindern. 

„Wir wollen den Verein, die Stadt Ludwigsburg und Deutschland auf internationalem Parkett würdig vertreten“, sagt Jakovcev. Mit einem Augenzwinkern und mit Blick auf die anstehenden Spiel spricht er indes auch von einem „Glücksspiel“ und sagt: „Es kann alles passieren.“ Niemand wisse, wo genau die Mannschaft zurzeit stehe. Die Ludwigsburger konnten immerhin einigermaßen trainieren: Das Ludwigsburger Fitnessstudio Pure öffne speziell für die Wasserballer; und das Campusbad war für die Ludwigsburger Erstligaspieler in den vergangenen Wochen ebenfalls nutzbar. Doch seit dem ersten Lockdown in Frühjahr waren die Bäder eben oft auch geschlossen, immer wieder habe man aussetzten müssen mit dem regulären Training. Im April war sogar im Neckar geschwommen worden. Die ganz spezielle Lage, sagt der Manager, sei allen Spielern bewusst. „Aber wir denken nicht ständig dran, wir lassen uns nicht belasten.“

Der SVL reist mit 13 Spielern nach Frankreich, Abiturient Leopold Friedrich bleibt mangels Schulbefreiung in Ludwigsburg. Das Turnier findet wie zuletzt schon gewohnt ohne Zuschauer und unter strengen Hygieneauflagen statt. In anderen Zeiten wären sicherlich eine paar Fans und Vertreter der Sponsoren sehr gerne mit der Mannschaft nach Aix gereist. Das SVL-Urgesteien Dieter Gscheidle zum Beispiel wäre sicherlich dabei gewesen, sagt Jakovcev. „Der Dieter hätte sich den ersten internationalen Auftritt seines SVL bei einem Turnier sicherlich nicht entgehen lassen.“

Der SV Ludwigsburg will mit den Spielen in Südfrankreich auch an die großen Zeiten des Vereins anknüpfen. In der 1960er-Jahren stellte der SVL mehrere Nationalspieler und Olympiateilnehmer. 1961 war der SV Ludwigsburg süddeutscher Meister und deutscher Vizemeister. Der aktuelle Teammanager hatte vor dem geplanten und dann abgesagten Start der Bundesliga erklärt, der SVL wolle spätestens in fünf Jahren wieder mitspielen um den nationalen Titel. Jetzt also geht es zunächst mal um den Euro-Cup. „Wir werden uns durch die schwierigen Zeiten kämpfen“, sagt Jakovcev.

Für die deutschen Teams dürfte das Turnier auch deshalb besonders schwer werden, weil sie seit vielen Monaten kaum Spielpraxis haben. In vielen andern Ländern, sagt der Manager, werde in den obersten Liegen schon wieder gespielt, etwa in Italien, Ungarn, Spanien – und auch in Frankreich, was ein Vorteil für Aix sein könnte. Um besser zu werden, sagt der Manager, „müssen wir spielen, das ist einfache Mathematik“. Deshalb sei die Vorbereitung in Montpellier auch so wichtig. Die Reise nach Südfrankreich wird für des SVL ein großes sportliches Abenteuer mit ein paar Unbekannten.

Der Aufwand ist erheblich, ein finanzielles Abenteuer werde der Trip aber nicht, sagt Nagel. Weil der Bundesliga-Betrieb ruhe, werde Geld eingespart, und auch bei der Anreise wählte man gezwungenermaßen die kostengünstigste Variante. Die Kosten für den Wasserball im Verein würden „nicht viel größer als sonst“. Zudem solle der erste internationale Auftritt des SVL zu „einem Türöffner für weitere Sponsoren werden“, zudem hofft der Klub auf avisierte öffentliche Förderungen.