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Eine Stadt geht baden: Ludwigsburger Geschichte(n) vom Schwimmen

Die Geschichte des Ludwigsburger Freibads ist untrennbar verbunden mit der Geschichte des 1908 gegründeten SV Ludwigsburg. Baden und Schwimmen indes war schon lange vor der Gründung des SVL ziemlich populär in der Barockstadt. Nicht nur über die Anlage am Neckarufer, sondern auch über die einst in Ludwigsburg äußerst beliebten Wannenbäder, etwa im Badgarten, über das 1908 gebaute Stadtbad, über das Heilbad Hoheneck und über das neue Campusbad hat jetzt Günther Bergan einem nicht nur für Schwimmer lesenswerten Beitrag berichtet.

Baden und Schwimmen im Neckar sei in der Nähe der Schiffsbrücke tabu. Ebenfalls strikt verboten sei es, unbekleidet am Ufer herumzulaufen. Diesen Befehl veröffentlicht die Kreisregierung im Sommer 1819 im Ludwigsburg Wochenblatt. Nacktbaden im Neckar ist vor rund zweihundert Jahren offenkundig beliebt. Der Badebetrieb im Neckar sei jedenfalls „recht rege gewesen“, heißt es in dem Aufsatz „Ludwigsburg geht baden“ von Günther Bergan im Band 74 der Ludwigsburger Geschichtsblätter des Historischen Vereins. Günther Bergan hat akribisch recherchiert, er hat alte Akten, Chroniken und Zeitungsartikel studiert.

Anfang des 19. Jahrhunderts wird an mindestens sieben Stellen im Neckar gebadet. Der Wirt des Brückenhauses vermietet sogenannte Badehäuschen, die nicht am, sondern im Wasser aufgebaut sind. Diese Häuschen ermöglichen ein streng nach den Geschlechtern getrennten, „blickdichtes“ und damit sittlich unbedenkliches Baden. Die Ludwigsburger freilich steigen vielerorts in den strömenden Fluss, keinesfalls ausschließlich in besagten Häuschen. Die Folge sind immer wieder schwere Badeunfälle, denn kaum jemand kann damals sicher schwimmen. 1826 veranlasst die Kreisregierung per Dekret, dass während der Badesaison aus Sicherheitsgründen ein Arzt anwesend sein muss. Viele Jahre streiten sich Ludwigsburg und Neckarweihingen, wer diesen Mediziner bezahlt. Um die Kosten einigermaßen zu decken, werden zwei Männer engagiert, die ein Bade Geld einziehen. Wer fortan in den Neckar steigen will, muss einen Kreuzer investieren, wer eins der Badehäuschen nutzen möchte, bezahlt sechs Kreuzer.

Mitte des 19. Jahrhunderts ist die Bade Lust der Ludwigsburger größer denn ja, es werden Kutschfahrten von der Stadt bis zum Neckarweihinger Badeplatz angeboten. Mehrere Ludwigsburger Händler werben im Wochenblatt für Badehosen in allen möglichen Farben und Designs zu „billigsten Preisen“. Ein Fabrikant von Kölnisch Wasser aus Heilbronn preist sein Produkt an „zum Waschen nach dem Baden“. Das Wochenblatt veröffentlicht eine praktische Anleitung zur lebensrettenden Tote-Mann-Stellung.

Bald entbrennt ein heftiger Streit zwischen den Betreibern der Badehäuschen um die Gunst der Badegäste. Ärger zwischen den Badenden aus der Stadt und den Bauern aus Neckarweihingen, denen die Wiesen am Flussufer gehören, ist vorprogrammiert. Dieser Streit bewegt die Stadt Ludwigsburg, 1851 einen eigenen Badeplatz anzulegen. Dieser entsteht am linken Ufer oberhalb des Brückenhauses, nur ein paar Schritte entfernt vom berüchtigten Totenkopf, einem für Schwimmer sehr gefährlichen Neckarabschnitt. Wald wird gerodet, der Hang abgegraben, das Ludwigsburger Neckarbad eröffnet. Die gefährlichen Stellen im Fluss sind mit Pfosten markiert, Warnschilder sind aufgestellt. Nun führt eine feste Steintreppe direkt vom Ufer bis ins Wasser. Zehn Jahre später, 1861, wird 300 Meter oberhalb des städtischen Badeplatzes zusätzlich eine Militärschwimmschule eröffnet.

Soldaten, so heißt es damals, sollen nicht nur exerzieren und schießen können, sondern auch schwimmen. Es dauert zwar immer noch ein paar Jahrzehnte, bis sich der SVL 1908 gründet und sein erstes Freibad am Neckar einweiht: der Weg zum clubeigenen Gelände indes ist bereitet, denn das Areal der Militärschwimmschule wird der SVL später übernehmen. Die Militärschwimmschule verfügt über ein paar Hütten und ein Sprungbrett, das mit schweren Schiffsketten am Ufer befestigt ist. Die Schule steht auch den Bürgern offen.  Der Abonnementpreis für Ludwigsburger, die Schwimmunterricht erhalten, beträgt drei Gulden pro Saison. Wer nur schwimmen will, bezahlt einen Gulden und 30 Kreuzer.

Im Jahr 1902 werden die baufälligen Hütten durch stabilere Baracken ersetzt. Ferner entstehen acht Schutzdächer, unter denen sich die Soldaten umziehen können. Als allerdings 1908 das Stadtbad in Ludwigsburg eröffnet, wird bald klar: die Soldaten werden nun im ruhigen und beheizten Wasser das neuen Hallenbads schwimmen lernen. Das Militär benötigt die Schwimmschule am und im Neckar nicht mehr. Die Geschichte des SVL-Freibads beginnt. Der junge Schwimmverein nutzt zunächst noch das Seibertsche Neckarbad beim Brückenhaus. In einem Protokollbuch der Vereinssitzung vom 29. Juni 1912 aber heißt es, der Club habe die einstige Militärschwimmschule zu diesem Zeitpunkt bereits übernommen. Bald wird ein Schwimmfloß mit vier jeweils elf Meter langen Pontons am Neckarufer befestigt. Das Bad darf gegen ein geringes Entgelt nur von den Vereinsmitgliedern genutzt werden. Der SV Ludwigsburg bezahlt der Stadt für die Pacht des Geländes jährlich drei Mark. Der Verein kauft einen Rettungsring und einen Sauerstoffapparat, auf der gegenüber liegenden Neckarseite werden zwei Wiesen gepachtet. Der SV Ludwigsburg wächst und erfreut ich immer größerer Beliebtheit.

Das Ende des ersten SVL-Neckarbads kommt unerwartet: Im Dezember 1919 beschädigt ein zweitägiger Dauerregen mit einem verheerenden Hochwasser als Folge die komplette Anlage so stark, dass sich ein Wiederaufbau nicht lohnt. „In jeder Katastrophe kann auch eine Chance liegen“, schriebt der Archivmitarbeiter Bergan in seinem Aufsatz. Nach dem Unglück hat der SVL einen triftigen Grund, das wenig komfortable und beengte Gelände zu verlassen. Bereits einen Monat nach dem Hochwasser schließen die Stadt und der Verein einen Pachtvertrag für ein Grundstück etwa 400 Meter flussaufwärts. Der SVL erwirbt mit finanzieller Unterstützung der Stadt und einiger Bürger für 7220 Mark vom Reichsvermögensamt eine ausgediente Lazarettbaracke.

Schon im Juni 1920 – nur ein halbes Jahr nach dem Hochwasser – wird das neuen Neckarbad eröffnet. Im April 1921 krönt der Schwimmverein sein Werk und kauft das bis dato gepachtetes Grundstück von der Stadt. Der Grundstein für das vereinseigene Freibad am Neckar ist gelegt. 1921 sowie 1925 und 1926 erwirbt der SVL schrittweise flussaufwärts liegende Wiesen auf Oßweiler Markung. 1927 wird ein Bootshaus für die Paddelabteilung gebaut. Wegen der zunehmenden Verschmutzung des Neckars baut der SVL ebenfalls 1927 das erste betonierte Becken. Geplant ist zunächst ein 15 mal 30 Meter großes Bassin, doch die begrenzten Finanzen ermöglichen lediglich 15 mal 15 Meter. Das Wasser für das Becken stammt aus einer eigenen Quelle, das Quellwasserbad ist frisch, recht kalt, aber beliebt.

Horrormeldungen über die immer schlechtere Wasserqualität des Neckars im Jahr 1928 bewegen die Stadt Ludwigsburg, über den Bau eines eigenen kommunalen Freibads nachzudenken. Als möglicher Standort ist das Gebiet Fuchshof im Gespräch. Auch über ein gemeinsames – heute würde man interkommunales – Projekt wird diskutiert: ein Freibad, gebaut zusammen mit Kornwestheim. Der Vorstand des SVL ist beunruhigt und schlägt im Spätsommer 1930 den Ausbau des eigenen Neckarbads vor. Nach langen Gesprächen einigen sich der SVL und die Stadt, das Becken das Neckarfreibads zu vergrößern. Die Kommune gewährt dem Verein ein zinsloses Darlehen und einen jährlichen Zuschuss.

Nach dem Zweiten Weltkrieg beschlagnahmt die US-Armee das SVL-Freibad. Wieder wird in Ludwigsburg über den Bau eines städtischen Freibads diskutiert. Diesmal laufen mit Asperg Gespräche über ein gemeinsames Projekt. 1953 heißt es, das neue Freibad für Ludwigsburg solle in Eglosheim gebaut werden – doch just in diesem Jahr räumen die Amerikaner das alte Freibad. Wieder starten Verhandlungen von Stadt und SVL. Das Ergebnis: Das bestehende 33-Meter-Becken wird zum Nichtschwimmer-Becken umgebaut, ein neues 50-Meter-Sportbecken angelegt, neue Umkleidekabinen entstehen. Am 17. Juni 1954 wird das erweiterte Freibad eröffnet.

Knapp 30 Jahre später ist auch dieses Bad wieder dringend sanierungsbedürftig. Die Stadt übernimmt das Gelände vom SVL und baut nach den Plänen des Architekten Kurt Knecht das heutige Freibad, das 1986 eröffnet. Der SVL besitzt nun kein eigenes Bad mehr, was viele Mitglieder schmerzt, speziell die älteren. Wer zum SVL gehört, hat aber nach wie vor freien Eintritt ins Freibad. Günther Bergan schreibt: „Wer heute am Neckar nach Spuren der früheren Badeplätze sucht, wird enttäuscht sein.“ Denn die Kanalisierung des Flusses in der 1950er-Jahren, die neu gebauten Straßen am Ufer und die Gewerbegebiete haben die Landschaft nachhaltig verändert – sicherlich nicht zum Besseren für die Neckar-Badefreunde. Und trotzdem schwimmen SVL-Mitglieder wieder in dem Fluss. Das Neckarwasser ist längst schon wieder deutlich sauberer als früher.

Seit seinem 100. Geburtstag im Jahr 2008 richtet der SVL im Sommer das Neckarschwimmen für Leistungs- und Hobbysportler aus. Ein paar Freiwasserschwimmer und Triathleten des SVL trainieren regelmäßig im Fluss. Die beiden SVL-Athleten Volker Heyn und Martin Tschepe schwimmen im Juni 2015 im Neckar von Sulz bis nach Mannheim, in knapp zwei Wochen bewältigen sie die rund 300 Kilometer und machen Schlagzeilen. Im schwierigen Corona-Jahr 2020 steigen vermutlich so viele Schwimmer in Ludwigsburg in den Neckar, wie schon seit mindestens einhundert Jahren nicht mehr – notgedrungen, denn die Bäder sind wegen der Pandemie ja oft geschlossen.

Weitere Infos unter www.historischer-verein-ludwigsburg.de/geschichtsblätter