Was gibt es Neues?

Chemnitz macht Überraschung perfekt

„Seidenstadtgirls“ gegen „Black Pearls“ heißt es erstmals im Entscheidungskampf einer deutschen Wasserball-Meisterschaft der Frauen: Nach dem erwarteten Einzug des aktuellen Serienmeisters SV Bayer 08 Uerdingen (zuletzt vier Titel seit 2012) hat sich erstmals in der DSV-Historie auch der  Vorjahresfünfte SC Chemnitz in das Endspiel vorgekämpft, dieses durch einen 10:7 (0:1, 1:2, 2:2, 3:1/4:1)-Auswärtserfolg nach Fünfmeterwerfen beim Rundenzweiten SV Nikar Heidelberg, der ebenfalls auf den ersten Finaleinzug der Vereinsgeschichte gehofft hatte. Das erste Endspiel zur Kür des 35. deutschen Wasserball-Meisters der Frauen seit 1982 steigt am kommenden Sonnabend im Chemnitzer Sportforum.

Play-offs sind jenseits von Eishockey und Basketball nicht immer ein Spannungsgarant, doch das diesjährige Halbfinale in der Deutschen Wasserball-Liga (DWL) der Frauen hat es in sich gehabt, wobei nur eine Woche nach dem bereits überraschenden 12:11-Heimerfolg der in der Rundenspielen drittplatzierten Chemnitzerinnen in der ersten Partie erneut das Fünfmeterwerfen als ultimative Entscheidung herhalten musste. Da auch hier der nominelle Außenseiter die Oberhand behielt, ist eine der größten Überraschungen des deutschen Frauenwasserballs der vergangenen zwei Jahrzehnte perfekt. „Das war ein Drama. Das hätte ich nie gedacht“, konnte Nikar-Trainer Dr. Kai van der Bosch selbst mit einem Tag Abstand das Ausscheiden seiner Mannschaft nicht so recht fassen.

Beide Mannschaften geizten trotz der günstigen Bedingungen einer Hallenpartie regelrecht mit Toren, so dass nach 4 x 8 Minuten lediglich zwölf Treffer beider Teams  zu Buche standen – dieses immerhin bei einer Gesamtbilanz von 22 Wasserverweisen auf Zeit. Besagter Tormangel spielte zunächst dem ohne die Hlavata-Schwestern (Nationalmannschaftsmaßnahme) angetretenen Gastgeber sogar noch in die Hände: Der Vorjahresdritte vom Neckar führte mit 3:0 (10.) und konnte den Vorsprung auch in der Folge halten, allerdings nicht weiter ausbauen. „Wir hätten viel höher führen müssen“, zeigte sich van der Bosch kritisch, der bei einer Reihe von Aktionen zudem unnötigen Eigensinn seiner Aktiven beklagte. Das vorzeitige Spielende für Aktivposten Sina van der Bosch nach drei Zeitstrafen streute weiteren Sand in das Angriffsspiel der Tabellenzweiten.

Die Gäste aus Sachsen brauchten mehr als 13 Spielminuten für den ersten eigenen Treffer, ehe Nikola Busauerova auf 1:3 verkürzte. Tore blieben auch danach weiterhin Mangelware, doch die Sieben von Trainer Sven Schulz schaffte es, die Partie trotz des Rückstands ergebnistechnisch noch offen zu halten. Die Gäste hofften auf den Endspurt, allerdings drohte den Chemnitzerinnen nach den langen Schwimmpassagen am Ende die Zeit wegzulaufen. Auch im Schlussviertel lag die Nikar-Sieben mit 6:3 (25.) komfortabel in Front und ging noch mit einem 6:4-Vorsprung in die beiden letzten Spielminuten. Dann sorgten zwei Treffer von Anika Ebell und Daniela Katlovska doch noch für den 6:6-Ausgleich 44 Sekunden vor dem Ende.

Das dann nach der regulären Spielzeit sofort folgende Fünfmeterwerfen entbehrte nicht der Parallelen zur Vorwoche: Auf Nikar-Seite sollte hier einzig Luise Zimmermann treffen, die schon im Spiel zu den wenigen Lichtblicken des Teams gezählt hatte. „Das hatten wir am Freitag eigens noch geübt“, konnte van der Bosch auch hier nur den Kopf schütteln. Die erstmals in der Vereinshistorie in den Play-offs vertretenen Gäste durch Anika Ebell zum 7:6 vorlegt und netzten danach dann auch durch Nikola Busauerova, Juliane Harbig und Victoria Fischer ein – Chemnitz triumphierte zum dritten Mal in dieser Saison und zum zweiten Mal binnen einer Woche von der Fünfmeterlinie.

Für beide Teams wäre es die erste Finalteilnahme der Vereinsgeschichte gewesen, und für das Team aus Sachen wird dieser nun früher als vielleicht erwartet wahr. Heidelberg war bis Ende April sogar ungeschlagen geblieben, kämpft jetzt aber doch wie im Vorjahr wieder um Bronze. Die „best of three“-Serie dieses Halbfinale ging nach dramatischen Momenten und nach nur zwei Spielen vorzeitig zu Ende, und die vier im Halbfinale involvierten Vereine müssen teilweise sogar umplanen. Chemnitz empfängt nun am 4. Juni im ersten Finalspiel Titelverteidiger SV Bayer 08 Uerdingen, auf Heidelberg wartet anstelle eines Heimspieles jetzt eine Auswärtspartie beim ersten Duell um Bronze gegen den SV Blau-Weiß Bochum. Bleibt nach der Halbfinalserie noch die Frage: Gibt es im kommenden Jahr dann vielleicht sogar von Beginn an einen Dreikampf um die Meisterschaft?