Nationalmannschaft

Was gibt es Neues?

Auf Marco Polos Spuren …

Randsportart hier, Nationalsport dort: Deutschlands Wasserballfans kommen sich alle zwei Jahre auf den Europameisterschaften wie einst der venezianische Forschungsreisende Marco Polo (1254 – 1324) vor, der nach seiner Rückkehr mit kaum glaublichen Berichten über seine Erlebnisse aufwartete. Bei den diesjährigen Titelkämpfen in Budapest sorgten die Macher aus dem Lande des Rekordolympiasiegers Ungarn für ein Eventerlebnis, das partiell sogar die parallel laufende Handball-Europameisterschaft übertrumpfte und in Deutschland kaum möglich erscheint.

Ungarns Hauptstadt sorgte in der Tat einmal mehr für eine regelrechte Nabelschau der Sportart: Lichteffekte, LED-Banden, blaue Verkleidungen und ein Videowürfel direkt über dem Becken hatten die Duna Aréna, mit 5.300 Plätzen eine der größten Sportschwimmhallen Europas, in ein regelrechtes Popkonzert-Ambiente gehüllt. „Die Atmosphäre war einfach der Wahnsinn“, war Fabienne Heerdt als EM-Neuling begeistert. „Man merkt, dass der Sport einen sehr hohen Stellenwert im Land hat“, sagte Mannschaftskamerad Timo van der Bosch, der immerhin schon auf seine vierte EM-Teilnahme seit 2014 zurückblicken kann.

Parallel dazu sorgte eine zweistellige Kamerazahl für grandiose Fernsehbilder aller Partien, wobei alleine Italiens staatlicher Sender RAI 36 Partien live zeigte. Eine Achillesferse der Sportart konnten allerdings auch die grandios geplanten und durchgeführten Budapester Titelkämpfe nicht abwenden: Es bleibt schwierig, konstant hohe Zuschauerzahlen für Wasserballspiele zu generieren. Auch in der Duna Aréna wirkten bei einer Vielzahl von Partien die Zuschauerränge verweist – neue, dynamischere Spielregeln machen eine Sportart nicht von alleine attraktiv.

In Deutschland hatte Pokalsieger Waspo 98 Hannover erst im vergangenen Sommer mit der Ausrichtung des Final Eight der Champions League im heimischen Stadionbad mit viel Engagement und auch einigem Einfallsreichtum für ein Wasserballevent gesorgt, das zumindest den heimischen Fans der Sportart wie ein Ufo vorgekommen sein muss. Die mit viel Engagement und einigem Einfallsreichtum durchgeführte Veranstaltung kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Europas größte Volkswirtschaft bei weitem noch kein Land des Wasserballs ist. „Derzeit haben wir nicht einmal ein Bad, in dem wir eine EM durchführen könnten“, sagt Norddeutschlands Fachwart Jens Witte. Noch beängstigender erscheint allerdings das abgrundtief niedrige Medieninteresse für Wasserball und eine ganze Anzahl anderer traditionsreicher Sportarten.

In den kommenden zwei Monaten mag aus DSV-Sicht das Olympiaqualifikationsturnier der Männer in Rotterdam (Niederlande/22. bis 29. März) alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen, doch die Eventisierung der Sportart wird auch Deutschland weitergehen: Zwar finden die Europameisterschaften im nichtolympischen Jahr 2022 dann wieder während des Sommers statt, doch im kroatischen Split werden die Organisatoren analog zu den Titelkämpfen 2016 im serbischen Belgrad in einer großen Multifunktionshalle ein temporäres Becken mit Wasserballmaßen errichten.   

Während die Veranstaltung die gestiegenen Maßstäbe weiter nach oben geschraubt, kämpfen Deutschlands Wasserballer derweil aber auch sportlich um den Anschluss. Die Männermannschaft wiederholte nur mit Mühe ihren neunten Platz von 2018 und wird wahrscheinlich noch als erster Nachrücker zum Olympiaqualifikationsturnier reisen, die vor zwei Jahren noch achtplatzierten Frauen rutschten auf Rang elf ab. Für Deutschlands Männer beschränkt der Blick allerdings erst einmal nur auf etwa 600 Quadratmeter Wasserfläche: die Größe eines olympiatauglichen Spielfeldes.